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27.04.16  Abschied von der Natur (5) - Technikliebe statt Naturliebe


Es wird Zeit für eine neue, realistische Sichtweise der Natur, einschließlich ihrer hässlichen und "boshaften" Seiten. Und entsprechend brauchen wir eine neue Sicht von Technologie. Obgleich wir, in den industrialisierten Ländern, bereits in einer großteils technisch bestimmten Welt leben und deren Annehmlichkeiten genießen, besitzt die Technologie noch immer ein eher negatives Image, als kalt, fremd oder gar feindlich - Stichwort "Technokratie". Wir sollten zu einem neuen, zeitgemäßen Technikverständnis, ja zu einer Freundschaft mit der Technik finden. Dieses zukünftige -"technophile" - Bewusstsein kann man als Technologismus bezeichnen.


Es äußert sich in einer Techno-Evolution, in einer massiven Förderung innovativer Hochtechnologie. Das bedeutet aber keine blinde Technikgläubigkeit, kein Übersehen technisch bedingter Risiken und Probleme. Man wird intensiv daran arbeiten, technische Verfahren "bedienerfreundlicher" und damit menschenfreundlicher zu gestalten.


Es genügt jedoch nicht, dass wir uns von der äußeren Natur loslösen. In einem zweiten Schritt haben wir uns auch von unseren inneren Natur, der Natur in uns zu emanzipieren. Der Mensch muss sein "natürliches" Erbe an tierischen Verhaltensweisen, vor allem irrationale Aggressionen und Ängste überwinden. Ebenso ist die physische Natur des Menschen, sein Körper zu verändern, damit er besser gegen Krankheiten ankommt und in der neuen technologischen Umwelt optimal funktioniert. Hierbei werden auch Methoden wie Gentechnik und Bioelektronik zum Einsatz kommen.


Indem der Mensch so seine Welt und sich selbst umgestaltet, sogar neu erschafft, rückt er ganz in den Mittelpunkt seiner Existenz. Er ist jetzt wirklich "das Maß aller Dinge". Ich möchte diese Selbstzentrierung des Menschen in seinem Handeln wie Bewusstsein Hominismus nennen. Man kann von einem "post-biologischen" Zeitalter sprechen, weil die biologische Evolution weitgehend von einer technologischen Evolution abgelöst wird, die der Mensch eigenhändig steuert. Das hat nichts mit Hybris oder narzisstischem Größenwahn zu tun, sondern ist geradezu eine geschichtliche Notwendigkeit.


Man könnte auch von einer Techno-Aufklärung sprechen. Das Programm der Aufklärung im 17./18. Jahrhundert lautete, den Menschen zu Vernunft und Freiheit, Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung zu führen. Dieses Programm musste letztlich scheitern, weil der Mensch noch zu stark der - äußeren wie inneren - Natur verhaftet war. Das hat im Laufe der Geschichte immer wieder Denker bzw. Geistesströmungen veranlasst, die Aufklärung insgesamt abzulehnen und womöglich eine Rückbesinnung auf die Natur zu fordern. Aber es gibt kein Zurück, auch und erst recht kein "Zurück zur Natur". Und mit der technischen Revolution hat der Mensch erstmals eine Chance, die Ideale der Aufklärung zu verwirklichen.


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21.04.16  Abschied von der Natur (4) - Ist der Mensch im Innersten aggressiv?

Auf diese Frage hat es im Laufe der Geschichte vor allem zwei Antworten gegeben bzw. zwei Richtungen.
Die eine meint, der Mensch sei von Natur aus gut, friedlich und im seelischen Gleichgewicht. Nur die Umstände, die Gesellschaft machten ihn zu einem unzufriedenen und bösartigen Wesen. Dabei wird in letzter Zeit vor allem auch auf das "unnatürliche" Leben und die Umweltzerstörungen als Ursache hingewiesen. Auf den Punkt gebracht: Die Entfremdung von der Natur in unserem Leben hat auch die positive innere Natur geschwächt oder fast zum Verstummen gebracht.

Die Vertreter der anderen Richtung behaupten, der Mensch sei von Natur her schlecht, aggressiv, von inneren Konflikten und Kämpfen gespalten - entsprechend zur negativen äußeren Natur. Zum Beispiel wird auf einen Aggressionstrieb oder sogar Todestrieb verwiesen, der den Menschen zu zerstörerischen Handlungen antreibe. Nach dieser Auffassung ist es erst die Gesellschaft, die uns zu (halbwegs) verträglichen sozialen Wesen macht. Durch Erziehung, Sozialisation, "Zivilisation", gegebenenfalls auch durch Bestrafung, überwinden wir den ungehobelten Naturzustand und lernen ein "zivilisiertes" Verhalten. 

Beide Auffassungen sind aber zu kritisieren: Es ist offensichtlich falsch zu behaupten, erst die Zivilisation und die durch sie bedingte Umweltverschmutzung hätten den Menschen so gereizt und aggressiv gemacht. Gewalt zwischen einzelnen Menschen und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Gruppen hat es immer gegeben, solange es den Menschen gibt; alle Zeugnisse der Vergangenheit wie alte Schriften beweisen das. Dass die Kämpfe früher nicht so verheerend waren wie heute, liegt daran, dass unsere Vorfahren noch nicht so viele und hochentwickelte Waffen besaßen. Hätten sie über moderne Waffen verfügt, hätten sie die bestimmt auch eingesetzt - der Mensch hat bisher noch immer seine besten Kampfgeräte eingesetzt.

Außerdem haben die Menschen früher ebenfalls die Natur ausgebeutet. Stefan Heiland belegt in seinem Buch "Naturverständnis", "dass zu alten Zeiten und unabhängig vom jeweiligen philosophischen Naturverständnis der beherrschende Aspekt des Mensch-Natur-Verhältnisses Nützlichkeitsüberlegungen waren". Und weiter: "Ein von vornherein rücksichts- und ehrfurchtsvoller Umgang früherer Gesellschaften mit der Natur war also nicht gegeben, schon gar nicht um der Natur selbst willen." Dass unsere Altvordern die Umwelt nicht so krass wie heute geschädigt haben, lag kaum an einer besonderen Harmonie mit der Natur, sondern daran, dass sie viel weniger Menschen waren und noch nicht unsere heutigen technischen Möglichkeiten besaßen.

Es lässt sich aber auch nicht pauschal behaupten, der Mensch sei durch Zivilisation und Kultur insgesamt zufriedener und friedlicher geworden. In einigen Lebensbereichen geht es bei uns zwar "kultivierter" zu als bei Naturvölkern, aber grundsätzlich hat sich die menschliche Natur kaum verändert. Sie ist in etwa die gleiche wie vor 120.000 Jahren, denn solange hat der Mensch biologisch, von seiner Erbmasse her, keine wesentliche Entwicklung mehr gemacht. Eigentlich sind wir Steinzeitmenschen im Anzug oder Kostüm.

Zwar hat das moderne Leben uns von vielen Belastungen befreit, aber es führt zu einer neuen Form von Stress, auf die wir genetisch nicht vorbereitet sind: Hektik, Überfüllung, Lärm und künstliches Licht bewirken eine Reizüberflutung, wobei die so entstehenden Emotionen und Aggressionen sich noch stauen, weil sie infolge unserer Bewegungsarmut nicht körperlich abgearbeitet und abreagiert werden.

Halten wir fest: Der Mensch war zu allen Zeiten ein aggressionsbereites Wesen, in der alten "Naturzeit" wie in der neuen, industriellen Zeit. Selbstverständlich besaß und besitzt er auch friedliche, kooperative Seiten, aber die konnten niemals seine Kampfbereitschaft überwinden, denn diese ist eine wesentliche Komponente seiner biologischen Programmierung. Sie ist ein Erbteil der Natur, eine Eigenschaft, die er von seinen tierischen Vorfahren übernommen hat, wobei der Grad sicherlich von Individuum zu Individuum differiert und es auch Geschlechtsunterschiede gibt, da nämlich die Aggressivität bei Männern im Durchschnitt stärker ausgeprägt ist als bei Frauen.

Ich möchte hier davon absehen, eine simple Bewertung vorzunehmen, in der Art aggressiv = schlecht und friedlich = gut. Man muss diese Eigenschaften im Systemzusammenhang und in Relation zum Umfeld sehen. Solange der Mensch in die Natur eingeschlossen lebte, war seine Kampfwilligkeit weitgehend angemessen, um sich im natürlichen (Über-)Lebenskampf durchzusetzen. Seine innere Natur passte zur äußeren Natur. Er musste hart sein, weil sein Leben hart war.

Nur heute, wo wir weniger in der Natur und mehr in einer technischen Welt leben, ist dieses hohe Aggressionspotential kaum mehr zweckmäßig, vielmehr gefährlich. In der Zivilisation ist weit weniger körperlicher Kampfeinsatz notwendig. Sicherlich, auch hier braucht man eine gewisse Aggressivität im Sinne von Selbstbehauptung, um sich gegen widrige Umstände oder Gegenspieler durchzusetzen. Aber die Kämpfe könnten und sollten überwiegend geistig, durch das Wort geführt werden. Doch faktisch werden die anachronistischen Körperkampfprogramme durch Reizüberlastung und Bewegungsmangel besonders aktiviert, wobei sich ihre Auswirkungen durch die modernen Waffen vervielfachen.

Es geht bei unserem biologischen Erbe aber nicht nur um Aggression, es geht vor allem auch um Irrationalität, Verdrängung, Inkonsequenz. Dafür können wir als passendstes Beispiel gerade das Verhalten gegenüber dem Natursterben nehmen. 

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14.04.16  Abschied von der Natur (3) - Die Natur des Menschen: einfach tierisch

Es gilt, nicht nur die Schattenseiten der äußeren Natur, der Umwelt zu sehen, sondern auch die unserer inneren Natur. Unter "innerer Natur" verstehe ich einerseits den menschlichen Körper, aber auch unsere Wesensart, den Charakter unseres Fühlens, Denkens und Verhaltens.

Der Körper des Menschen ist auf den ersten Blick ein hochleistungsfähiges System, dennoch besitzt er viele Mängel, Schwächen und Anfälligkeiten. Wir machen uns das nur so wenig bewusst, weil wir unseren "Body" einfach als gegeben hinnehmen und kaum fragen, wie er anders und besser beschaffen sein könnte.

Der größte Mangel des Körpers ist die Anfälligkeit für Erkrankungen. Insgesamt gibt es hunderte verschiedener Krankheiten, die uns befallen können. Und schon von jeher wurde der Mensch von ihnen heimgesucht, auch unsere Vorfahren litten zum Beispiel unter Rheuma und Gicht. Es ist also keineswegs so, wie gerne behauptet wird, dass nur und erst der moderne Mensch durch seine unnatürliche Lebensweise solche "modernen" Krankheiten erleidet. Und es hat sich in der Geschichte beim Kontakt von Naturvölkern mit Menschen aus Zivilisationsstaaten immer wieder gezeigt, dass die Naturmenschen selbst "harmlosen" Infekten wie Erkältungen erlagen, weil ihr Immunsystem zu wenig trainiert war, um mit ihm unbekannten Krankheitserregern fertig zu werden.

Nicht umsonst hat ja auch die Lebenserwartung bei uns laufend zugenommen, etwa auf das doppelte der früheren "natürlichen" Lebensdauer. Denn durch Fortschritte der Medizin und die größere Hygiene konnten viele der alten Krankheiten besiegt werden, vor allem Infektionen wie Pest und Pocken. Andererseits konnte und kann die Medizin bis heute längst nicht alle Erkrankungen heilen, das reicht vom banalen Schnupfen (der allerdings von selbst heilt) bis hin zum Krebs, der trotz gewaltigen Forschungsaufwandes noch immer weitgehend unbeherrscht ist.

Außerdem treten neue Krankheiten verstärkt auf, etwa Herz-Kreislauf-Störungen oder Immunstörungen wie Allergien, Autoaggressionskrankheiten oder Aids. Diese Erkrankungen werden ohne Zweifel durch unser zivilisiertes Leben in einer industriell belasteten Umwelt begünstigt oder sogar verursacht; man spricht deshalb von Zivilisationskrankheiten.
Nur kann man das von zwei Seiten betrachten: Normalerweise erklärt man diese Krankheiten eben damit, dass unsere Lebensweise zu ungesund und unsere Umwelt  zu giftig sei. Wir können es aber auch von der anderen Seite sehen, nämlich dass unser Körper zu anfällig ist, dass er sich zu wenig an die heutige Umwelt angepasst hat und seine Flexibilität, sich auf neue Umstände einzustellen, nicht ausreicht. Mit einem Wort: Unser Körper ist ein "Bio-Trabbi".

Man spricht aber auch von der Natur des Menschen, wenn man seine seelische Natur meint. Darunter versteht man ganz allgemein sein wahres Wesen, seinen typischen Charakter. "Seelennatur" kann aber auch spezifisch bedeuten: diejenigen psychischen Eigenschaften, die der Mensch von der Natur mitbekommen hat, die er mit anderen Lebewesen, vor allem hochentwickelten Primaten teilt. (Es wird später noch zu fragen sein, ob die wirkliche Natur des Menschen nicht gerade durch kulturelle Eigenschaften bestimmt ist, also "unnatürliche" Verhaltensweisen, die den Menschen vom Tier unterscheiden.)
Wie auch immer man die innere Menschennatur genau bestimmt, es steht nicht gut um sie. Sie befindet sich ebenso in einer Krise wie die äußere Natur. Von daher spricht man auch von Innenweltverschmutzung parallel zur Umweltverschmutzung.

Viele Menschen sind heute unzufrieden mit sich und ihrem Leben, sie fühlen eine Leere, ein Sinndefizit. Gesteigerte Angst und Aggressivität sind weit verbreitet. Auch die Zahl echter psychischer und geistiger Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie ist hoch. Außerdem nehmen Gewalttaten zu, seien es Affekthandlungen infolge von Unbeherrschtheit oder seien es geplante, mit krimineller Energie begangene Verbrechen.

Diese Störungen sind nicht auf individuelle Menschen begrenzt, sondern ganze Sozialsysteme zeigen ein gestörtes, "krankes" Verhalten. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Osten, nach dem Wegfall der Konfrontation zwischen Ostblock und westlichen Ländern hatte man eine stabilere und friedlichere Welt erwartet. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Durch ausgeprägten Nationalismus und Separatismus sind eine Vielzahl neuer Krisenherde und Kriege enstanden, allen voran der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, der allerdings 1995 (weitgehend) beendet wurde. Zwar sind solche "Kleinkriege" noch lokal begrenzt, aber es besteht die Gefahr einer Ausbreitung.  

Gerade der Krieg in Bosnien mit seinen Foltern, Vergewaltigungen und anderen Gräueltaten hat die Frage nach der Natur des Menschen nochmals radikal aufgeworfen. (In späteren Jahren sind es vor allem der Terrorismus, insbesondere des IS, aber auch der sogenannte Kampf gegen den Terrorismus sowie die neuen Bürgerkriege, gerade in Syrien, die durch unglaubliche Brutalität und Grausamkeit noch einmal an der menschlichen Natur (ver)zweifeln lassen.)

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08.04.16  Abschied von der Natur (2) - "Biollusionen"

Viele Menschen bei uns ergehen sich in naturseliger Euphorie und "Bio-Illusionen". Aber "zurück zur Natur", zurück in ein spartanisches, hartes, entbehrungsreiches, eben natürliches Leben, das will kaum jemand. Das wird nur abstrakt gefordert. Konkret fordert man allerdings, Naturvölker bzw. unterentwickelte Völker mit unserer Technik zu verschonen, nicht zuletzt, damit ihre Scheinidylle, ihre pittoreske Armut erhalten bleibt, die wir als Touristen so gerne bestaunen.

Nein, echte Aussteiger gibt es wenige. Und es zieht diese Leute auch selten in eine unberührt - gefährliche Umwelt, sondern in liebliche Gegenden, wo die Natur längst gezähmt und kontrolliert ist, nach Südfrankreich oder auf eine griechische Insel. Dort lebt man dann meistens in größeren Gruppen, sogenannten Landkommunen. Aber auch diesen Kommunen ist selten eine lange Dauer beschert, denn sogar in solchen "naturberuhigten" Gegenden ist vielen das Leben - womöglich ohne Strom, Licht, Heizung und warmes Wasser - einfach zu hart.

Wenn man schon selbst nicht in die Natur zieht - vom "Häuschen im Grünen" wollen wir hier absehen -, so versucht man wenigstens, Natur (oder was man dafür hält) wieder mehr in seine Alltagswelt hineinzuziehen, nach einem Prinzip Natürlichkeit zu leben: vor allem sich natürlich zu ernähren, Naturstoffe zu tragen, Möbel aus Naturholz zu kaufen, nur Kosmetika aus natürlichen, am liebsten pflanzlichen Stoffen zu verwenden, sich im Krankheitsfall mit Naturheilkunde zu behandeln bzw. vom Arzt für Naturheilverfahren oder sogar vom Naturheiler behandeln zu lassen. 

Viele Menschen glauben, was natürlich sei, das sei auch automatisch gesund, bekömmlich, heilsam. Im Umkehrschluss wird alles "Chemische" als ungesund, schädlich, giftig angesehen. Das ist in vielfacher Weise absurd. In der Natur wimmelt es geradezu von Giftpflanzen und Gifttieren. Auch gefährliche Schwermetalle wie Arsen oder Mineralfasern wie Asbest stammen ursprünglich aus der Natur. Keineswegs ist ein Nahrungsmittel oder Medikament schon deswegen unschädlich, weil es natürlicher Herkunft ist. Ebensowenig muss Chemie immer gesundheitsschädlich sein. Überhaupt werden Naturstoffe heutzutage oft chemisch synthetisiert, zum Beispiel Vitamin C (Ascorbinsäure). Der synthetisierte Stoff ist mit dem natürlichen völlig identisch, es besteht dabei gar kein Unterschied mehr zwischen Natur und Chemie.

Auch hat vieles, was als "natürlich" angeboten wird, diese Kennzeichnung gar nicht verdient. Die Verbraucher kaufen gerne Kleidung aus "100 % Baumwolle", sie glauben, damit ein reines Naturprodukt zu erwerben. Die Baumwolle wird aber mit einer Vielzahl von Chemikalien, in diesem Fall auch schädlichen, behandelt. Dagegen ist ein Kleidungsstück aus moderner Chemie- oder Kunstfaser wesentlich gesünder, es gibt keine Schadstoffe an den Körper ab. 

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03.04.16  Abschied von der Natur (1) - Die dunklen Seiten der Natur

Ich habe hier zuletzt die neue Einführung zur geplanten Homepage-Veröffentlichung meines Buches "Abschied von der Natur" eingestellt. Im Folgenden werde ich einige modifizierte Texte aus diesem Buch abdrucken. Die Texte sind teils provozierend, ich würde sie heute nicht mehr genauso schreiben, aber sie haben m.E. weiterhin ihren Sinn und ihre Berechtigung.

Gerade in den modernen, westlichen Staaten wird die Natur gerne idealisiert, von vielen Menschen nahezu vergöttert. Bei dieser Naturverklärung wird weitgehend ausgeklammert, wie die Natur wirklich ist. Sie wird nur als gute Mutter beschrieben, die ihren Menschensohn nährt und schützt, was der ihr aber nicht danke; denn er misshandele sie, raube ihre Schätze und überschütte sie mit chemischem Gift. Bei dieser Sicht geraten die hässlichen, bösen und giftigen Seiten der Natur völlig aus dem Blick.

Sprechen wir zunächst von der Vergangenheit, davon, wie die Menschen früher "natürlich" lebten (für die sogenannten "Naturvölker" ist dies allerdings bis heute ihre Gegenwart). Auch wenn wir Bewohner von Industriestaaten noch viel mit der Natur zu schaffen haben - viel mehr, als uns oft klar ist - , so ist dies nicht mit den Verhältnissen in früheren Zeiten zu vergleichen. Damals existierten die Menschen wirklich im engsten Kontakt mit den Naturgewalten. Sie lebten zwar von der Natur, aber auch gegen sie. Einerseits gab Mutter Natur ihnen Nahrung und Kleidung, aber andererseits mussten sie ihr Leben ständig gegen die "böse Stiefmutter" Natur verteidigen. Sie mussten sich gegen Hitze und Kälte, Regen und Sturm behaupten; und vor allem mussten sie sich der Angriffe wilder Tiere erwehren.

Auch wurde ihnen die Nahrung keineswegs geschenkt. Es war kein Schlaraffenland, wo einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen oder wo Milch und Honig fließen, sondern die meisten Völker hatten der Natur ihre Nahrung abzutrotzen, ernteten mühselig angebaute Nahrungspflanzen oder jagten und fischten, oft unter Einsatz des eigenen Lebens.
Und dies ist das "Grundgesetz der Natur": jagen oder gejagt werden, töten oder getötet werden, fressen oder gefressen werden. "Natürliches" Leben bedeutet permanente Gefahr, Wechsel zwischen Flucht und Kampf; es ist wie im Krieg, nein es ist Krieg. Zwar gibt es auch Kooperation und Symbiose, aber sie sind dem Kampf ums Überleben völlig untergeordnet. Es herrscht das Faustrecht (vielleicht sollte man hier besser "Pfotenrecht" sagen), das Recht des Stärkeren. Der Schwächere hat sich zu ducken, sonst wird er verjagt oder gemordet. Das Zusammenleben in der Natur ist somit gerade das Gegenteil einer demokratischen Ordnung, in der prinzipiell alle Mitglieder gleichberechtigt sind.

Das ständige Sich-Wehren-Müssen gegen Naturgewalten oder gegen andere Lebewesen, nicht zu vergessen Krankheitserreger wie Bakterien und Viren, macht verständlich, warum die Menschen sich, soweit sie konnten, von dem Naturleben wegentwickelt haben. Und warum Naturvölker, wenn sie mit der Zivilisation in Berührung kommen, fast immer mit großer Bereitwilligkeit und Schnelligkeit deren Errungenschaften übernehmen, seien es materielle Dinge wie Kleidung und Werkzeug, seien es Verhaltensweisen wie eine veränderte Nahrungsaufnahme. Wenn die Naturmenschen mit ihrer Lebensweise wirklich so glücklich wären, wie uns mancher zivilisationsmüder Völkerkundler weismachen will, würden sie sich doch nicht so auf die Zivilisationsgüter stürzen.

Wir modernen Menschen der Gegenwart sind zwar auch noch mit der Natur verbunden, haben uns aber andererseits schon ein Stück weit von ihr losgelöst. Das wird heute von vielen als Entfremdung beklagt. Nur schwärmen immer die am meisten von etwas, die es am wenigsten kennen. Menschen, die tatsächlich in und mit der Natur leben, können sich keine sentimentale Naturseligkeit leisten. Sie mussten und müssen sich täglich einer - vielfach feindlichen - Umwelt erwehren, dieser ihr Leben abkämpfen.
Anders die Biophilen: Sie begeistern sich über das angeblich so harmonische Zusammenleben der Tiere und Pflanzen, über das ökologische Gleichgewicht, reden nur von Partnerschaft und Symbiose in der "sanften Natur". Für sie ist jeder modrige Tümpel gleich ein Biotop und jedes armselige Stoppelfeld ein Ökosystem. Aber sie meinen eigentlich gar nicht die echte Natur, sondern die romantischen, irrealen Naturbilder in ihren Köpfen.

Besonders absurd wirkt es, wenn im Rahmen von modischen Geistesströmungen wie New Age oder Esoterikwelle die Natur spiritualisiert, als heilig erklärt wird. Jeder Baum ist dann ein Heiligtum, jeder Wald ein Tempel. So wird die Natur selbst "übernatürlich", und der Mensch befindet sich auf dem Rückweg zur Naturreligion.

Gern lässt man sich dabei von "Naturweisen" inspirieren, besonders von Indianerhäuptlingen, die, anstatt in der Natur zu leben, von Großstadt zu Großstadt, von Kongress zu Kongress reisen (wie der inzwischen verstorbene Rolling Thunder), um die Bleichgesichter als Naturfrevler anzuklagen und ihnen ins Gewissen zu reden - vielleicht eine Art Rache für die frühere Eroberung der Indianergebiete durch den weißen Mann.

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30.03.16  Neues Vorwort für "Abschied von der Natur"

Ich plane, erstmals den vollständigen Text meines Buches "Abschied von der Natur" auf die Homepage zu stellen und habe dazu ein neues Vorwort geschrieben (das ich hier verkürzt widergebe). Zwar habe ich schon 2013 eine weitgehend vollständige Fassung als PDF eingestellt, aber die hatte Fehler und Mängel, die ich jetzt  - hoffentlich - korrigiert habe.

Allerdings habe ich den Text nicht inhaltlich überarbeitet oder aktualisiert, das hätte ein weitgehend neues Buch erfordert. 

Das Buch erschien 1997, das ist also fast 20 Jahre her. Damals war Gerhard Schröder noch Ministerpräsident in Niedersachsen, und Angela Merkel war Umweltministerin unter Kohl. Man kann natürlich fragen, ob das Buch nicht so veraltet ist, dass es sich gar nicht lohnt, es neu auf der Homepage zu veröffentlichen. Einmal davon abgesehen, dass ich als Autor eben gerne mein weitgehend vollständiges Werk an einem (virtuellen) Ort zusammenstellen möchte, ich meine, dass "Abschied von der Natur" zwar in den aktuellen politischen Bezügen völlig überholt ist, dass aber viele seiner Grundgedanken und erst recht viele Einzelanalysen bis heute gültig sind.

Die Grundthese des Buches war, dass die Natur stirbt. Weil der Mensch nicht wirklich bereit ist, die Natur zu retten. Und dass es daher richtig und notwendig ist, sich von der Natur abzukoppeln und ein Technik-zentriertes Leben zu führen. Dass dies auch die Chance für eine Evolution des Menschen bedeutet. Dabei wurde gefordert, sich auch von der "inneren Natur" des Menschen mit seinen primitiven Trieben und Aggressionen zu emanzipieren. Da das Erbe der Natur keineswegs so positiv sei wie immer behauptet, sondern dass die Natur ein Schlachtfeld, ein Kriegsschauplatz sei.

Meine Prognosen haben sich sicher (noch) nicht alle bewahrheitet. Die Natur ist wohl widerstandsfähiger gegen menschliche Zerstörung, als man vor 20 Jahre dachte. Aber das ändert doch nichts daran, dass immer mehr Wälder und Landschaften zerstört werden, dass immer mehr Arten aussterben und dass die Umwelt (von einzelnen Verbesserungen abgesehen) zunehmend mit Gift- und Schadstoffen belastet wird. Wir haben uns nur allmählich daran gewöhnt und verdrängen es, noch mehr als früher.

Seinerzeit wurde viel vom "Waldsterben" gesprochen. Sicherlich, der Begriff war übertrieben, und wir haben heute immer noch Wälder. Andererseits ist auch wahr, dass je nach Baumart weiter ein Großteil der Bäume krank ist und der Wald somit immer noch – wenn auch eher von anderen Schadstoffen als früher – bedroht ist, wie man in entsprechenden Untersuchungsberichten nachlesen kann. So wird z. B. im Waldzustandsbericht für Baden-Württemberg von 2015 nur 29% der Waldfläche als gesund bezeichnet, was schon als Erfolg gewertet wird, denn im Jahr 2014 waren nur 24% des Waldes gesund. Nur werden solche Zahlen kaum noch in der Öffentlichkeit registriert.

Jedenfalls hat sich meine Vorhersage einer zunehmenden Technisierung in alle Lebensbereichen als richtig erwiesen. Z. B. habe ich damals geschrieben, dass man – analog zum Herzschrittmacher – einen "Hirnschrittmacher" einsetzen könnte, um Störungen des Gehirns zu regulieren bzw. seine Leistungen zu verbessern. Darauf reagierten einige Kritiker mit Ablehnung und Paranoia. Heute wird dieser Chip im Gehirn von der Medizin durchaus eingesetzt, kann z. B. bei Epilepsie helfen.

Der "Abschied von der Natur" hat von meinen bisherigen Büchern weitaus die größte Aufmerksamkeit erzielt. Es brachte mir Auftritte im Fernsehen und im Rundfunk ein, und es erschienen schätzungsweise 100 Rezensionen, u. a. in so wichtigen Zeitungen wie der "Welt" und der "Süddeutschen". Die Zeitschrift "Natur" beschäftigte sich über mehrere Hefte mit meinem Buch. Dabei wurden auch Prominente befragt wie der Komponist Karlheinz Stockhausen, der Grafiker Klaus Staeck oder selbst die damalige Umweltministerin Angela Merkel. Alle diese "Experten" gaben (natürlich ohne mein Buch gelesen zu haben) Statements ab von beeindruckender Einfalt, deutlich populistisch bemüht, ein naturkritisches Buch schlechtzureden.

Und das muss man zugeben: Die Reaktionen auf "Abschied von der Natur" waren überwiegend polemisch bis feindselig; kaum ein Kritiker hat das Buch wirklich verstanden und gewürdigt. Sicherlich, das Buch ist provozierend. Und es rührt an einem Tabu. Es herrschte (und herrscht bis heute) ein Dogma, dass die Natur gut und rein ist, daher unbedingt geschützt werden muss. Dass jemand an diesem Tabu, an dieser "heiligen Kuh" rührte, rief  Aggressionen hervor.

Die Wut vieler Kritiker hatte allerdings auch noch einen konkreteren Anlass. Mein Ansatz besagte: Obwohl ständig von Umwelt- und Naturschutz geredet wird, sind die wenigsten Menschen bereit, wirklich etwas für die Umwelt zu tun, Opfer auf sich zu nehmen, auf ihre Bequemlichkeiten zu verzichten. Daher kann die Natur nicht überleben, und so müssen wir nach einer Alternative suchen, nämlich einem Technik-bestimmten Leben, was allerdings auch eine Weiterentwicklung für uns Menschen bedeutet.

Damit wurde die Heuchelei aufgedeckt, dass wir alle doch so wahnsinnig naturlieb sind, es wurde die Verlogenheit entlarvt, mit der viele Menschen (eben auch die Kritiker) Umweltschutz predigen, andererseits bei jedem Urlaub mit dem Kerosin-schluckenden Jet in den Urlaub fliegen, auf den Autobahnen rasen – ohne Rücksicht auf Spritverbrauch und Schadstoffemissionen –, dass sie sich bei jedem Einkauf eine Plastiktüte geben lassen, überhaupt viel zu viel konsumieren, dass sie ihren Müll oft genug nicht ordentlich trennen usw.
Ein Großteil der Bürger, gerade die Großstädter, haben einerseits ein verkitschtes Verhältnis zur Natur (die sie übrigens gar nicht wirklich kennen); vielleicht vergießen sie sentimental ein paar Tränen über einen Bambi-Film. Aber andererseits ist ihnen in ihrem tiefsten Inneren die Natur eigentlich herzlich egal. Für sie gilt: "Mein Auto fährt auch ohne Wald."
Und niemand lässt sich natürlich gerne bei seinen Lügen, Ausflüchten und Fehlverhalten erwischen. Lieber attackiert man den Boten bzw. den Autor, der die schlechte Nachricht bringt.

Natürlich hätte man an meinen Aussagen konstruktiv Kritik üben können, aber davon war fast nichts zu lesen. Sagen wir es deutlich: Die meisten, ziemlich unsachlichen Kommentare haben letztlich nur eine These meines Buches bestätigt, ämlich dass die Menschen noch stark von der emotional-aggressiven Natur (in sich) geprägt sind. Sie urteilen aus irrationalen Gründen, ohne die Sachverhalte wirklich zu kennen und zu verstehen.

Ich denke weiterhin, mein Buch war mutig, originell, innovativ. Dennoch würde ich es heute sicher nicht mehr genauso schreiben. Manches würde ich inhaltlich nicht mehr so dezidiert vertreten, vor allem aber würde ich differenzierter schreiben. Eigentlich neig(t)e ich bei meinen (populär)wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu einer ausgewogenen Darstellung, aber hier entschied ich mich, auch im Sinne des Verlages, für einen provokativen Stil, um mit meinem Buch in der Masse der Veröffentlichungen eine gewisse Aufmerksamkeit zu erzielen. Man musste (und muss) – leider – eine Theorie sehr pointiert vertreten, wenn man sie bekannt machen will, das Für-und-Wider-Abwägen langweilt leider die meisten Medien und Leser. Ich wollte mit meinem Buch "wachrütteln", und das ist mir auch gelungen.

Aber es hat sich gezeigt, dass viele Leser/innen – beim Tabu-Thema "Natur" – durch die Provokation nur auf Abwehr gehen, gar nicht mehr weiterlesen und weiterdenken; und das wollte ich natürlich nicht.
Und bei einem Thesen-Buch ist überhaupt die Gefahr, dass man nur nach Argumenten sucht, seine Theorie auszubauen und zu bestätigen, und nicht nach solchen, die sie schwächen oder gar widerlegen.
Ich würde das Buch heute auch eher deskriptiv anlegen, also nur den Zustand und die voraussichtliche Zukunft der Natur beschreiben, anstatt – präskriptiv – zu bestimmten Handlungen aufzufordern. Und im nach hinein habe ich es bedauert, dass ich mein Buch nicht schon 1997 deskriptiv-analytisch verfasst habe.

Fazit: Obwohl einzelne Thesen des Buches überholt sind, insgesamt haben seine Aussagen bis heute Gültigkeit, sind teilweise sogar noch aktueller als vor 20 Jahren. So gesehen war das Buch wahrscheinlich seiner Zeit voraus, erschien zu früh. In jedem Fall wäre es Zeit für eine Neuentdeckung des Buches "Abschied von der Natur".
 

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